Autoimmunerkrankungen verstehen und behandeln: Dr. Nils Schulz-Ruhtenberg im Interview

Top-Heilberufler-Redaktion
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16.06.2025
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Ratgeber
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Dr. Nils Schulz-Ruhtenberg spricht über das unterschätzte Zusammenspiel zwischen Lebensstil, metabolischem Syndrom und Autoimmunerkrankungen. Als erfahrener Arzt für Allgemein- und Ernährungsmedizin erklärt er, warum Heilung dort beginnt, wo du bereit bist, Verantwortung für deinen Körper zu übernehmen. Das Interview fand im Rahmen eines Gesundheitskongresses von Podiom statt.

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Einleitung

Immer mehr Menschen kämpfen mit chronischer Erschöpfung, Gewichtszunahme, Entzündungen und unklaren Symptomen – doch oft bleibt die eigentliche Ursache im Verborgenen. Das metabolische Syndrom, auch als „tödliches Quartett“ bekannt, entwickelt sich meist schleichend. Bauchfett, Bluthochdruck, gestörter Zuckerstoffwechsel und erhöhte Blutfettwerte sind dabei nicht nur Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern auch Wegbereiter für Autoimmunprozesse. Was die moderne Medizin lange als voneinander getrennte Phänomene behandelte, zeigt sich heute als eng verwobenes System.

Dr. Nils Schulz-Ruhtenberg sieht die Ursachen für viele dieser Entwicklungen vor allem in einem aus dem Gleichgewicht geratenen Lebensstil. Als Facharzt mit Schwerpunkten in Ernährungs- und Sportmedizin hat er in den letzten zwei Jahrzehnten unzählige Menschen begleitet, die ihrer Gesundheit wieder auf die Sprünge helfen wollten – durch bewusste Veränderung im Alltag. „Unser Körper ist nicht für das gemacht, wie wir heute leben: verarbeitete Nahrung, Bewegungsmangel, ständiger Stress, Schlafdefizit. Wer das erkennt, hat schon den ersten Schritt gemacht“, sagt er.

Über Dr. Nils Schulz-Ruhtenberg

Bereits als junger Arzt hatte Dr. Schulz-Ruhtenberg das Gefühl, dass die klassische Medizin oft zu spät ansetzt. Statt Symptomen hinterherzulaufen, wollte er den Ursachen auf den Grund gehen – und Menschen befähigen, ihre Gesundheit selbst mitzugestalten. Seit 2001 betreibt er eine Praxis für Allgemein- und Ernährungsmedizin in Hamburg, entwickelt Präventionsprogramme für Unternehmen und bietet inzwischen auch Online-Kurse an, um mehr Menschen unabhängig von Ort und Zeit zu erreichen. Sein Ansatz: fundierte Aufklärung, strukturierte Begleitung und ein realistisches Konzept zur Veränderung.

Seine klare Botschaft: „Du bist die Summe deiner Gewohnheiten. Gesundheit ist kein Zufall – sie ist das Ergebnis dessen, was du täglich tust.“

Wenn der Lebensstil zur Ursache wird

In seinem Interview beschreibt Schulz-Ruhtenberg das metabolische Syndrom als zentrale Herausforderung moderner Gesellschaften. Bauchbetontes Übergewicht, Bluthochdruck, hohe Triglyzeridwerte und gestörte Zuckerregulation treten heute in einer Häufigkeit auf, die alarmiert – oft unbemerkt und ohne akute Symptome. Die Ursachen liegen auf der Hand: falsche Ernährung, zu wenig Bewegung, Stress, Schlafmangel.

Bauchfett spielt dabei eine zentrale Rolle. Es handelt sich nicht um passives Fettgewebe, sondern um ein hormonaktives Organ, das rund um die Uhr entzündungsfördernde Botenstoffe aussendet. Diese beeinflussen den gesamten Stoffwechsel, greifen Insulinrezeptoren an, fördern Arteriosklerose, Fettleber, Bluthochdruck und erhöhen das Alzheimer-Risiko. Wer hier frühzeitig gegensteuert, kann massive Folgeerkrankungen vermeiden.

„Das viszerale Bauchfett ist eine stille Entzündungsdrüse – und gleichzeitig ein Angriffspunkt für unser gesamtes Immunsystem.“

Entzündungsprozesse und Autoimmunreaktionen

Besonders eindrucksvoll ist der Zusammenhang zwischen metabolischem Syndrom und Autoimmunerkrankungen. Denn chronisch entzündliches Bauchfett, ein durchlässiger Darm („Leaky Gut“) und dauerhaft überforderte Entgiftungssysteme wie Leber und Niere destabilisieren die sogenannte Immuntoleranz. Der Körper beginnt, eigenes Gewebe anzugreifen – sei es die Schilddrüse (Hashimoto), Gelenke (Rheuma) oder die Darmschleimhaut (Colitis, Morbus Crohn).

Hinzu kommen Umweltbelastungen, Pestizide, Schwermetalle aus Fisch oder Pflegeprodukten, chronischer Stress und ein Mangel an regenerativen Phasen wie Schlaf oder Fasten. Für Schulz-Ruhtenberg ist klar: „Unsere Gene stammen aus der Steinzeit, aber wir leben in einer Welt voller Reizüberflutung, künstlicher Nahrung und Dauerbelastung – das passt biologisch einfach nicht zusammen.“

Ernährung als tägliche Medizin

Der erste Hebel liegt für ihn in der Ernährung. Was du isst – und vor allem, was du regelmäßig weglässt – entscheidet maßgeblich über Entzündungsprozesse, Stoffwechsel und Energie. Stark verarbeitete Produkte, industrielle Fette, Zucker, Gluten, konventionelle Milch und Weizen wirken wie ein ständiger Angriff auf dein Immunsystem. Natürliche, frische und wenig verarbeitete Lebensmittel sind dagegen eine tägliche Gesundheitsressource.

In seinen Kursen empfiehlt er unter anderem Konzepte wie die Autoimmun-Paleo-Ernährung: Getreide- und milchfrei, nährstoffreich, entzündungsarm und gut für den Darm. Ebenso wichtig: Mikronährstoff-Checks, etwa auf Vitamin D, Omega-3, Selen, Zink oder Magnesium. In der Praxis zeigt sich: Selbst Fischesser leiden oft unter Omega-3-Mangel – bei gleichzeitig hoher Schwermetallbelastung.

Bewegung als biologisches Heilmittel

Doch Ernährung allein reicht nicht. Mindestens ebenso wichtig ist tägliche Bewegung. Denn die Muskulatur produziert bei Aktivität sogenannte Myokine – entzündungshemmende Botenstoffe, die Arterienverkalkung bremsen, das Immunsystem stärken und sogar vor Demenz schützen. Bewegung sei kein Luxus, so Schulz-Ruhtenberg, sondern ein „biologisches Pflichtprogramm“, gleich nach Atmen und Essen.

„Wenn du dich nicht regelmäßig bewegst, bist du im biologischen Ausnahmezustand – ganz gleich, wie jung oder alt du bist.“

Schon 30 Minuten am Tag, bewusstes Gehen oder moderates Training, können das Immunsystem positiv modulieren. Und wer glaubt, mit chronischer Erschöpfung dürfe man sich nicht belasten, irrt: Auch hier helfen strukturierte Bewegungspläne, angepasst an die jeweilige Energie – vom Spaziergang bis zum gezielten Muskelaufbau.

Warum Abnehmen oft nicht funktioniert

Ein weiteres Thema, das viele betrifft: das Gefühl, alles richtig zu machen – und trotzdem kein Gewicht zu verlieren. Hier spricht Schulz-Ruhtenberg von „Abnehmbremsen“. Dazu gehören neben bekannten Faktoren wie Schlafmangel oder Stress auch Fettleber, hormonelle Dysbalancen, Perfektionismus und Diätstress. Häufig liege die Ursache in Stoffwechselblockaden, die mit Standardansätzen nicht zu lösen seien.

Sein Tipp: Den eigenen Weg finden, ohne sich zu vergleichen. Denn nicht selten fehle nur ein einziger Baustein – und plötzlich gerät alles in Fluss. Ganzheitliche Diagnostik und individuell abgestimmte Programme seien der Schlüssel, um festgefahrene Prozesse wieder in Bewegung zu bringen.

Heilung ist möglich – aber nicht ohne dich

In seiner Praxis setzt Dr. Schulz-Ruhtenberg auf funktionelle Medizin: Ursachen erkennen, Laborwerte ganzheitlich analysieren, Störfelder wie Kieferentzündungen oder hormonelle Dysbalancen identifizieren und Schritt für Schritt die Systeme stabilisieren. Die Kombination aus moderner Diagnostik, Lebensstilcoaching und psychologischer Begleitung zeigt in vielen Fällen erstaunliche Ergebnisse.

Ziel ist es, Patienten aus der passiven Haltung zu holen. Denn: Wer Verantwortung übernimmt, kann selbst in schweren Fällen noch Lebensqualität zurückgewinnen – auch parallel zu schulmedizinischer Behandlung. Es geht nicht um ein „entweder oder“, sondern um ein kluges „sowohl als auch“.

Alltagstaugliche Veränderung – ohne Perfektionsdruck

Viele scheitern nicht am Wissen, sondern an der Umsetzung. Deshalb setzt Schulz-Ruhtenberg auf das Prinzip der kleinen Schritte: jede Woche eine neue gesunde Gewohnheit, alltagstauglich, realistisch. Ob morgens Wasser trinken, früher schlafen gehen, einen Zucker-Reset machen oder Spaziergänge etablieren – entscheidend ist die Wiederholung, nicht die Perfektion.

Auch Rückschläge gehören dazu. Statt sich zu verurteilen, sollte man sich als lernendes Wesen begreifen. „Gesundheit beginnt im Kopf“, sagt er, „und jeder Tag ist eine neue Chance.“ Selbstgespräche spielen dabei eine große Rolle – denn niemand hat je ein Ziel erreicht, indem er sich ständig selbst sabotiert.

Gesunde Kinder brauchen gesunde Vorbilder

Besonders eindrücklich ist der Blick auf Kinder. Auch sie sind zunehmend betroffen – von Übergewicht, Allergien, Unverträglichkeiten und psychosomatischen Beschwerden. Schulz-Ruhtenberg sieht hier die Verantwortung klar bei den Eltern. Nicht durch Kontrolle, sondern durch Vorbild.

„Wenn du willst, dass dein Kind gesund lebt, dann lebe es vor“, sagt er. Was im Alltag vorgelebt wird, prägt sich tiefer ein als jeder Ratschlag. Und auch wenn Kinder zwischenzeitlich rebellieren – das Fundament bleibt. Gesunde Strukturen im Elternhaus sind die beste Gesundheitsvorsorge für die nächste Generation.

Fazit: Du kannst mehr bewirken, als du glaubst

Das Gespräch mit Dr. Nils Schulz-Ruhtenberg zeigt eindrucksvoll: Gesundheit ist kein Schicksal, sondern ein Prozess, den du aktiv beeinflussen kannst. Autoimmunerkrankungen, chronische Entzündungen und Stoffwechselstörungen entstehen nicht über Nacht – aber sie lassen sich in vielen Fällen spürbar lindern oder sogar zurückbilden.

Wenn du beginnst, dein Denken zu ändern, neue Gewohnheiten zu etablieren und deine Biologie besser zu verstehen, kann sich dein gesamtes Lebensgefühl verändern. Nicht alles auf einmal, sondern Schritt für Schritt. Und genau darin liegt die größte Hoffnung.

Fragen und Antworten zu Autoimmunerkrankungen und metabolischem Syndrom

Was ist das metabolische Syndrom und warum ist es so gefährlich?
Es ist eine Kombination aus Risikofaktoren (Bauchfett, Bluthochdruck, gestörte Blutfette, Insulinresistenz), die chronische Krankheiten begünstigen und oft lange unentdeckt bleiben.

Wie erkenne ich eine Autoimmunerkrankung frühzeitig?
Chronische Müdigkeit, Schmerzen, Entzündungen, Hautprobleme oder Verdauungsstörungen können Hinweise sein – eine ganzheitliche Diagnostik bringt Klarheit.

Was hilft wirklich bei chronischen Entzündungen?
Antientzündliche Ernährung, Bewegung, ausreichend Schlaf, Stressreduktion und Mikronährstoffversorgung – am besten kombiniert und begleitet.

Wie wirkt Ernährung auf Autoimmunprozesse?
Falsche Lebensmittel wirken wie stille Angreifer. Eine angepasste, entzündungsarme Ernährung kann das Immunsystem entlasten und Symptome verbessern.

Kann man trotz Medikamenten etwas bewirken?
Ja – Lebensstilveränderungen sind auch begleitend zur Schulmedizin sinnvoll und können Nebenwirkungen reduzieren sowie Heilungsprozesse unterstützen.

Kontakt und weitere Informationen

Du möchtest mehr über Dr. Nils Schulz-Ruhtenberg erfahren?

Website: www.schulz-ruhtenberg.de

Haftungsausschluss

Dieser Beitrag dient ausschließlich der allgemeinen, unabhängigen Information und ersetzt keine individuelle Beratung, Diagnose oder Behandlung durch medizinisches oder therapeutisches Fachpersonal. Bei gesundheitlichen Beschwerden wende dich bitte stets an eine entsprechend qualifizierte Fachperson. Triff keine gesundheitsbezogenen Entscheidungen allein auf Grundlage der hier bereitgestellten Inhalte und verschiebe niemals notwendige medizinische Konsultationen.

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